Es gibt wenige Dinge, die unsere Städte so sehr prägen, wie die Art und Weise mit der wir uns fortbewegen. Straßen, Fuß- und Radwege sowie das öffentliche Verkehrsnetz bilden das verbindende Gerüst jeder Stadt. Fast ausnahmslos wird bei genauerer Betrachtung deutlich, dass bei der Planung und dem Ausbau unserer Städte in den vergangenen Jahrzehnten vor allem eines im Fokus stand: das Auto. Dass hier ein Umdenken notwendig ist, ist nicht nur aus ökologischer Sicht nachvollziehbar. Gerade die überlastete Verkehrssituation in den Innenstädten wirkt sich auf unsere Lebensqualität und Gesundheit aus.
Um diese Herausforderung nachhaltig und langfristig zu lösen, benötigen wir nicht nur neue Technologien und Elektrofahrzeuge. Mindestens genauso wichtig ist es, dass sich die Städte selbst und unsere eigenen Verhaltensweisen wandeln. Genau darum dreht sich das Forschungsprojekt NUMIC, bei dem die Stadt Chemnitz gemeinsam mit Forschungseinrichtungen und innosabi den Grundstein für ein neues „urbanes Mobilitätsbewusstsein“ legen möchte. Wie das genau funktioniert? In direkter Kollaboration mit den betroffenen Bürgern und Anwohnern natürlich.
Die Modellroute
Im Mittelpunkt des Projektes steht die Idee, dass rad- und fußgängerfreundliche Städtebaumaßnahmen dazu beitragen, die Menge an Kraftfahrzeugen zu reduzieren. Insbesondere die Strecken durch die Innenstadt oder Erledigungen im eigenen Viertel sollen zur entscheidenden Stellschraube auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit und Lebensqualität werden.
Dabei ist den Projektverantwortlichen besonders wichtig, dass es nicht nur bei Konzepten und Ideen bleibt. Vielmehr soll direkt in der realen Umgebung getestet werden, wie sich bestimmte Maßnahmen auswirken und welche weiteren Verbesserungsvorschläge die Bewohner beisteuern können. Ganz am Anfang des NUMIC Projektes stand also direkt ein wichtiger Meilenstein: Eine Testumgebung – oder „Modellroute“, wie sie im Forschungsprojekt genannt wird – musste bestimmt werden.
Auf Info-Veranstaltungen sowie auf der online Plattform numic.city konnten sich die Bewohner im Juni 2020 zu diesem Thema einbringen, Feedback zu drei potentiellen Strecken geben sowie bei der Auswahl abstimmen. Die Kandidaten wurden zuvor mit Hilfe von Verkehrsanalysen, Befragungen und Expertengutachten erarbeitet.
Als klarer Favorit der Chemnitzer hat sich dabei Route C herausgestellt: Mit 303 Stimmen und einem deutlichen Vorsprung wurde eine über fünf Kilometer lange Strecke im Osten der Stadt vom Yorckgebiet zum Sportforum offiziell als NUMIC Testumgebung gewählt. Die Strecke durchläuft dabei unterschiedliche Arten von städtischer Umgebung: Von Fuß- und Radwegen am Stadtrand über Wohngebiete bis hin zu Einkaufszentren.
Bedürfnisse und Anforderungen der Bürger
Doch damit ist nur der erste Schritt getan. Das Team und die Projektpartner hinter NUMIC haben große Pläne. Direkt auf die Abstimmung folgt der eigentliche Ausbau der Strecke. Und auch hierbei werden die Bewohner der Stadt direkt eingebunden. Über die NUMIC Plattform können Vorschläge eingereicht werden, wie genau der weitere Ausbau der Strecke aussehen soll. Über allem steht dabei eine große Frage: Wie kann die Modellroute noch mehr auf die Bedürfnisse der Radfahrer und Fußgänger zugeschnitten werden?
NUMIC gibt den Chemnitzern hier bewusst viel kreativen Freiraum und Platz für Zukunftsdenken, denn jeder Vorschlag spiegelt auch wider, was mit bisherigen Städtebaumaßnahmen nicht genügend berücksichtigt wurde. Von der Entschärfung gefährlicher Kreuzungen bis hin zu Ruheorten mit Parkbänken oder Bike Sharing Konzepten kann alles eingereicht und mit anderen Bürgern und dem Projektteam diskutiert werden.
Das Geo-Tagging
Wir von innosabi freuen uns riesig, dass wir Teil von NUMIC sein dürfen und mit unserer Software einen Beitrag zu diesem wichtigen Thema leisten können. Damit es für das Projektteam und die Bewohner noch einfacher wird, bestimmte Orte zu verbessern oder Aufmerksamkeit auf ausgewählte Stellen der Modellroute zu legen, haben wir an umfassenden Geo-Tagging Funktionen gearbeitet und in die Plattform integriert.
Zum Beispiel können die teilnehmenden Chemnitzer damit ganz einfach auf einer Karte markieren, wo genau sie ihre Idee am liebsten umsetzen würden oder wo sie bestimmte Problemstellen der Strecke erkannt haben. In Kombination mit der NUMIC App für Smartphones, die im Oktober getestet wurde, sollen die Verbesserung der eigenen Stadt und der Mobilitätswandel kein abstraktes Thema bleiben, sondern direkten, erlebbaren Bezug zum eigenen Weg in die Arbeit, zum Einkaufen oder bei den Freizeitaktivitäten im Freien bekommen.
Wir sind gespannt, wie es weiter geht, wenn die Modellroute Anfang 2021 offiziell mit den ersten Verbesserungsideen der Bürger eröffnet wird.
„Mithilfe digitaler Bürger*innenbeteiligung lassen sich Wünsche und Ideen einfach über einen längeren Zeitraum sammeln, sortieren, bewerten und transparent für alle aufzeigen. Das Digitale bleibt ein Begleittool zu Präsenzveranstaltungen, allerdings ein enorm wichtiges. Es holt Bürger*innen mit wenigen Klicks ab und hat seine eigenen Vorteile – wie zum Beispiel bei kartenbasierten Kommentaren oder der Nachverfolgung von einzelnen Diskussionsräumen. Wir werden auf numic.city als nächstes mit unserer Community einzelne Stadträume sowie Straßenecken gemeinsam auskundschaften, debattieren und gestalten.“
Bjarne Lotze, Projektkoordination NUMIC – Stadt Chemnitz
NUMIC wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01UR1804E gefördert.